Sprechblase
Eine Sprechblase ist ein Begleitphänomen des Redens. Sie tritt auf, wenn sich während des Sprechvorgangs kleine Blasen aus dem Mund des Vortragenden lösen. Besonders bei längeren Vorträgen oder Ansprachen ist das Auftreten solcher Blasen unvermeidlich und wird vom Publikum meist schweigend hingenommen.
Man stelle sich einen Redner auf einer Bühne vor, der in gewichtigem Ton seine Argumente vorträgt. Während er jedes Wort formt, entstehen unauffällige kleine Bläschen, die sich unregelmäßig aus seinem Mundwinkel lösen und in Richtung Publikum schweben. Anfangs erscheinen sie harmlos, fast unbemerkt, wie winzige Begleiter seiner Rhetorik. Mit zunehmender Redezeit wird das Phänomen deutlicher: Die Bläschen werden größer, treten häufiger auf und platzen beim Aufprall mit einem kaum hörbaren Geräusch. Ein feines Sprühen setzt ein, das die erste Reihe mit feuchtem Glanz überzieht. Einige Zuhörer blinzeln, andere wischen verstohlen ihre Brillengläser. Der Redner jedoch bemerkt nichts und spricht unbeirrt weiter, wobei die Blasen nun rhythmisch im Takt seiner Sätze entstehen, als ob die Sprache selbst zu brodeln begonnen hätte. Nach einer halben Stunde ist der Saal erfüllt von einem regelrechten Blubbern und Spritzen. Aus kleinen Tropfen werden ganze Schaumkaskaden, die wie siedende Quellen aus dem Mund hervorquellen. Das Podium glänzt, der Teppich ist durchtränkt. Die Zuhörer in den vorderen Reihen sitzen da, ihre Gesichter glänzen im Neonlicht, ein dünner Film legt sich über Haut und Kleidung. Ein eigentümlicher Geruch hängt in der Luft – warm, feucht, süßlich, und niemand wagt mehr, tief einzuatmen. Schließlich, im Höhepunkt der Ansprache, entlädt sich die Sprechblase nicht mehr in einzelnen Tropfen, sondern als unaufhaltsamer Schaumstrom. Er ergießt sich in die Sitzreihen, läuft über Jacken, tropft in Handtaschen, sickert in offene Notizblöcke. Das Publikum sitzt klatschnass, die Haare verklebt, die Brillen blind vor Schleim. Jeder Atemzug zieht ein Gemisch aus Speichel und Bakterien in die Lungen. Augen tränen, Münder würgen, und der Saal gleicht einem dampfenden Becken aus lebendigem Schaum, in dem nur noch das unablässige Reden des Vortragenden widerhallt. Niemand verlässt den Raum unversehrt – jeder trägt die Spuren, das Brennen, das Kleben, die unsichtbaren Kolonien der Sprechblasen in sich.