Heiliger Geiz
Heiliger Geiz ist eine historische Entwicklung durch Coronakrise und Ukrainekrieg. Es handelt sich im Bereich der Finanzpolitik um eine Seitenwende im Haushaltsführungsbuch unseres Staates: Stand auf der vorigen Seite noch eine fette Schwarze Null, ist auf der neu aufgeschlagenen nichts mehr dergleichen, stattdessen wachsende vielstellige Rote Zahlen mit einem Minus davor! Gegen die Ausbreitung des Coronavirus wurden alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen und etwaige Verluste dadurch mit großzügigen Zahlungen ein Stückchen weit ausgeglichen, und dann kam da noch dieser Krieg um das Herkunftsland unseres Sonnenblumenöles. Zur Rettung unserer Sonnenblumenmargarine wurden daher Waffengeschenkpakete für die Ukraine geschnürt, so groß und fett, dass die Waffen zwischengelagert werden mussten und diese Lager natürlich gezielt vom Gegner zerstört werden konnten. Man hätte das Geld auch gleich verbrennen können. Dann hätte es wenigstens bei uns weniger Inflation gegeben. Und überhaupt standen diese Geschenke schon unter dem Motto "heiliger Geiz", d.h. alter, teils schon halb verrotteter Kram wurde an die Ukraine abgegeben, quasi zur fachgerechten Entsorgung, und NATO und Bundeswehr durften für sich dafür neue Sachen anschaffen.
Doch auch das eigene Land soll den Gürtel wieder enger schnallen, so sieht es jedenfalls Finanzminister Christian Lindner: Die Schwarze Null soll wieder her! Waren doch seine angesehenen Vorgänger Schäuble und Scholz geweihte Hohepriester der Schwarzen Null. Diese Weihen will Lindner auch erhalten, doch die genannten politischen Entwicklungen haben das reale Ding schwarze Null zur reinsten Utopie werden lassen. Bleibt also nur der Glaube daran, befeuert vom Heiligen Geiz. Den beschwört Lindner nun in den Missionszelten der fiskal defensiven Pfingstler, seiner Erweckungsbewegung.