Kamelobooks:Ölkrise/00000000

aus Kamelobooks, der wüsten Bibliothek
(Weitergeleitet von Projekt:Ölkrise/00000000)
Wechseln zu: Navigation, Suche


Der Kamelopedia-Roman!!! Das literarische Projekt 2006/07/08. Das hier ist erst der Anfang irgendwo mittendrin, der Titel gibt schonmal ein wenig das Thema vor. Es geht um Ihn, und um die Ölkrise. Er lebt irgendwo bei Kairo und arbeitet in der Innenstadt in der Zentralpyramide. Was er dort tut, und wie und was noch passieren wird, keiner weiß es bisher. Liebe, Intrigen, Krisen, Kriege, Rock'n'Roll, Drugs, Sex, raffinierte Technik, Lug, Trug und Betrug, Spionage und Camouflage, Sklaverei, Freiheit, Glück und Naturkatastrophen, alles ist möglich. Lies den Anfang, und setze die Geschichte zusammen mit anderen Kamelen fort.

Hier entsteht Weltliteratur!

Kapitel 00000000

Er wollte gerade wieder tanken. Der ganze Monatslohn würde dabei draufgehen. Er musste sich irgendwas einfallen lassen. So konnte es einfach nicht mehr weitergehen. Er war schon letztes Jahr kaum über die Runden gekommen. Aber die letzte Preiserhöhung, das war zu viel gewesen.

Warum hat er sich diesen hubraumstarken Benzinschlucker gekauft? Er wusste es nicht mehr. Doch, er wusste es noch. Der Benzinschlucker hatte so sympathisch gegrunzt und der Dattelmelker durfte ihn nicht mehr fahren, da er mit seinen 235 Jahren doch schon einen Tick zu alt für dieses Geschoss war, trotz Frischzellenkur und Rückgratimplantat. Und er hatte Mitleid mit dem Alten und auch einen nagelneuen Sattel gehabt. Ein Sattel ohne benzinschluckendes Kamel, welch eine Schande. Und was für ein Sattel, mit allen Gimmicks, die man sich vorstellen konnte: Nasenhaarentferner, Ölablassschraube, Navigationssystem, Sellerie-Anzeige, Nachtischsuchgerät, Macho-Meter usw. Wie sah das aus, er, der jeden Morgen pünktlich zur Arbeit sein musste, verlässt seine Pyramide, schwingt sich auf seinen edlen Sattel, aber kein Kamel drunter. Lächerlich, wie er so zur Arbeit gehoppelt war, und er wollte endlich auch mal tanken. Das war sein Traum gewesen, schon seit seiner Kindheit. Er hatte den Alten mit 17 Packungen Mullbinden bezahlt, damit er seinen Mumienverband erneuern konnte. Einen Sarkophag wollte der Alte eigentlich, aber Verhandlungsgeschick, das ist alles!

Und da stand das Kamel nun an der Zapfsäule und schluckte genüsslich 175 Liter Benzin in seine Höcker rein. Drahtlos wurde jeder Liter sofort von seinem Konto abgebucht, die Luft brannte wegen der hohen Beträge. Gleich würde er wieder Gas geben dürfen, in den Sattel gepresst werden, und es genießen können, solange, bis der Sprit wieder alle sein würde. Das wird etwa an der dritten Ampel sein. Versoffenes Kamel, irgendwo musste es undicht sein, ob er ihm mal den Hintern zunähen sollte? Nein, das wäre ein unautorisierter Eingriff in die Darmflora seines Fortbewegungsmittels, das war verboten, streng verboten. Aber vielleicht hilft auch ein Ausflug in die Wüste. Dort litern Kamele bekanntlich wesentlich weniger. Schon wollte er einen Antrag auf Verwüstung seines Arbeitsweges in der Zentralpyramide stellen, aber es war einfach zu riskant. Man hätte ihn aus seiner Pyramide geschmissen, hochkant. Obdachlos würde er seinen Job verlieren. Und ohne Moos nix los, dann könnte er sein geliebtes Kamel, welches gerade vollgefüllt bis zum letzten Hohlraum zufrieden rülpste, nicht mehr tanken. Nein. Brav weiter machen, so wie es von einem erwartet wird. Die Höcker waren nun prall gefüllt, sein Sattel thronte oben drauf, und glänzte wie ein Goldschatz im Sonnenlicht. Ein prachtvoller Anblick! Besser geht es eigentlich nicht, stolz registrierte er die neidischen Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer. Nur der Benzingeruch, wenn es rülpste, das war etwas unangenehm, aber was soll's.

Für die nächste Füllung muss er seine Chefin anpumpen, Kamelopatra, oh schönste aller schönen Chefinnen. Ein charmantes vielsagendes Lächeln wird es ermöglichen, da war er sich ganz sicher. Aber wenn es doch versagt, sie war hübsch, sehr hübsch, und genauso launig, vor allem wenn sie mal wieder mit dem linken Fuß aufgestanden war, was dann? Kamel gegen eins tauschen, was Diesel bevorzugte, oder gar eins was dieses aus Norddeutschland importierte Rapsöl schlürfte? Wäre etwas billiger, aber der Stress, und er würde das sympatische Gegrunze vermissen. Die anderen klackerten immer nur so, besonders, wenn sie noch kalt sind. Aber manche von denen sollen im Trab ganz nette Lieder singen können. Vielleicht sollte er nochmal drüber nachdenken.

Jetzt aber musste er auf die Tube drücken, in 23 Minuten wird er an seinem Schreibtisch in der Zentralpyramide von Kairo sitzen müssen. Also hurtig, er schwang sich auf seinen geliebten Benzinfresser, stolz wie ein Beduine, den Hotdog in der einen, die Lenkleine zwischen den Zähnen, drückte er aus der Senftube den Geschmacksveränderer in das Brötchen, er hatte noch nicht gefrühstückt … Sein Kamel wusste den Weg, darum brauchte er sich nicht mehr zu kümmern, der Elektroschock und die mit Stacheln besetzte Drahtseilpeitsche hatten ihren Dienst vorzüglich geleistet, den Weg würde es nicht mehr vergessen. Wer braucht schon Satelliten-Navi. Richtig, nur Weicheier. Und die geklauten Mercedes-Sterne vor den Augen nahm es jedes Hindernis mit. Das benzinschluckende Kamel hatte darin Übung, im Tiefflug rast es unter seinem Besitzer durch die engen Gassen Kairos, quer über den Wochenmarkt, blitzartig schleicht es am Hauptbahnhof vorbei, hinab durch die Unterführung und auf der anderen Seite wieder raus. Die dritte Ampel machte dem Unterfangen der Pünktlichkeit einen Strich durch die Rechnung. Nein, sie ist nicht rot, ja, sie ist grün, aber wie vorhergesagt, die Höcker hängen ganz schlaff runter, der Sattel mit seinem stolzen Besitzer ist auf dem Weg bis zur Ampel gut einen Meter tiefer gesunken, und Benno, so heißt das Kamel, stöhnt. Sprit alle! Noch 5 Minuten bis zum Anfang der Kernarbeitszeit, das ist wieder nicht zu schaffen, er wird heute Abend wieder länger machen müssen, um das auszugleichen. Wahrscheinlich wird SIE schon am Portal der Zentralpyramide stehen und die Peitsche vor Wut schwingen, so wie immer, und dann wehe dem Untertan, der in die Nähe kommt. Also tanken, hätte er doch beim Kauf des Kamels darauf geachtet, dass es länger als drei Ampeln hält.

Das Befüllen an der mobilen Tanke – die Mieten für stationäre Tankstellen waren in der Innenstadt von Kairo einfach zu hoch – dauerte ziemlich lange, aber was tat er nicht alles, um seinen Benno glücklich zu machen. Das er mittlerweile wegen der Spritpreise einen Kredithai aufsuchen musste, was soll's, da musste er durch. Was die Chefin zur erneuten Verspätung zu sagen hatte, daran wollte er noch nicht denken. Zufrieden glucksend bog der treue Benzinschlucker in den Hauptweg des Zentralparks ein. Am anderen Ende war bereits die erdbebengeschützte Zentralpyramide, die mittels Supraleiter einen Meter über dem Boden schwebte, zu sehen. Er parkte Benno auf dem Zentralpark-Platz und schwang sich locker den einen Meter Höhenunterschied vom Parkboden zum Haupteingang der Pyramide hinauf. 17 Minuten im Minus, sapperlot! Höchste Sicherheitsvorkehrungen nach dem letzten Anschlag auf eine Stufenpyramiden-Außenstelle in Sakkarah machten seit einiger Zeit komplizierte biometrische Kontrollen nötig. So stellte er sich vor die Sicherheitsbeamtin, die sich ihm zu Beginn der Kontrollen vor drei Wochen als Iris vorgestellt hatte und die dann auch gleich wieder wie jeden Morgen ihren berühmten Irisscan zelebrierte. „Wieder zu viel gesoffen, gestern Abend, oder wie?“, spielte sie auf seine rot gereizten Augen an. „Nein, der Sandsturm …“, murmelte er vor sich hin. „Immer diese Ausreden. Wir müssen wohl mal Ihre Reitlizenz überprüfen." Währenddessen hielt Iris seine Hand hoch und verglich den Daumen mit einem Abdruck aus Lehm. „Und das nächste Mal deutlicher antworten, damit ich Ihre Stimme besser höre!“ Mit diesen Worten schubste Iris ihn in die Drehtür.

Als er nach wenigen Sekunden wieder zu Bewusstsein kam, hatte Iris die Drehtür auch schon entriegelt und er konnte sich fluchend zu seinem Arbeitsplatz durchkämpfen. Auf dem Weg dachte er sich vorsichtshalber schonmal eine Ausrede aus, doch er hatte beim besten Willen keine Idee. Er war nicht sehr kreativ und wollte auch nichts zu Hanebüchenes erdichten. Er reimte sich also nur irgendetwas über einen terroristischen Anschlag in der Nähe seines Hauses zusammen, bei dem vierzehn Anwohner (drei von ihnen Kinder, sieben Frauen und elf Männer) ums Leben gekommen waren. Mit einem alten verbrannten Zahnstocher kritzelte er im Gehen eine Fälschung der 46 Seiten dicken Zeitung des Tages, die seine Geschichte untermalen sollte und bastelte aus einer Sandale eines Obdachlosen, den er auf dem Weg zur Arbeit beraubt hatte, eine M16. Seine Version hatte zwar nur drei Viertel der Durchschlagskraft eines echten Sturmgewehres; er hoffte aber, dass das nicht sonderlich auffallen würde. Auch betrug die Farbabweichung an der Unterseite des Schafts gute 0,23 %. Wenigstens war die Zeitung perfekt geworden - schließlich hatte er die rechte Hand zum Fälschen der Zeichen und die linke zum Basteln der Waffe gebraucht. Wundersamerweise glaubte ihm Kamelopatra jedes Wort und blätterte die Zeitung nicht einmal zur Hälfte durch. Auf der Seite, auf der sie innehielt, befanden sich die Todesanzeigen - eine von ihnen behandelte den Tod ihres Ehemannes. Da sie glaubte, Single zu sein, bat sie ihn, von seinem Frauenwahlrecht Gebrauch zu machen und so kam es, dass er wenige Tage später zu einem der reichsten Männer Kairos emporstieg. Das hatte auch damit zu tun, dass die meisten anderen Männer (alle bis auf ihn und den ausgeraubten Obdachlosen) in der Stadt sich wegen der anhaltenden Ölkrise umgebracht hatten. Doch von diesem Massensuizid bemerkte er nichts, denn er und Kamelopatra hatten sich seit Tagen in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer eingeschlossen und liebten sich innig. Mal streichelte sie ihn sanft, während er sie verwöhnte, mal wurde das wiederholte, schnelle und heftige Stoßen so gewaltig, dass sich sogar der Autor Gedanken machte, wie viele Minderjährige sie durch die Fenster ihres Raumes beobachteten. Von seiner Position aus konnte er durch das Fernglas nur drei ausfindig machen. Aber er sah auch nur eines der vielen Fenster.

Als er aus seinen Träumen aufwachte, stand er immer noch an der Drehtür, aber er war drin, wenigstens hatte das geklappt, die Zeitung hatte er unterm einen Arm, unterm anderen die verranzte Sandale. Was sollte er damit? Vor ihm lag der lange, mit feinstem Elfenbein ausgekleidete Gang zu den Büros. Zur Ertüchtigung der Mitarbeiter war in den Gang ein Förderband eingebaut, welches sich entgegen der Hauptverkehrsströme bewegte. Über dem Gang hing ein Schild mit der Aufschrift: „Streng dich an!“. Er schluckte, denn das Band bewegte sich heute bösonders schnell.

Sein Büro befand sich zum Glück im Erdgeschoss, aber er wollte jetzt sofort zu Kamelopatra und eilte deshalb zum Fahrstuhl. Sie, die bezaubernde Chefin, würde vom 27. Stock in die Sonne blicken und etwas Ruhe haben, bis der erste zu ihr durchkam. Er drückte die Taste 27 und der Fahrstuhl bewegte sich nach unten. Eigentlich spielte es keine Rolle, welche Taste man drückte, man fuhr immer ins dritte Untergeschoss, wo der einzige Zugang zum Treppenhaus war. Er hatte einmal aus Neugier den Knopf zum vierten Untergeschoss probiert und festgestellt, dass es tatsächlich ein solches gab. Es enthielt keine Büros, nur ein Seil, das von der Decke herabhing, um wieder hochzuklettern. Typisch.

Dreißig Treppen später irrte er schwer atmend durch die Chefetage. Büro 187, Büro 188 … – er hielt kurz inne und fragte sich ob er richtig war. Kamelopatra war im Büro 146, gleich neben dem Büro 418. Zwei aufeinander folgende Nummern waren hier so unwahrscheinlich, wie im Lotto zu gewinnen. Ein böser Scherz, jemand musste die Schilder vertauscht oder verdreht haben, und jetzt wusste er nicht mehr, wo er stand. Mentales Fitnessprogramm, davon sprach sie doch letzte Woche. Er atmete durch und suchte in seiner Tasche nach dem Kompass. Ausrüstung ist alles. Kamelopatra hatte ihr Fenster gegen Süden. Jedenfalls letzte Woche. Wie die Zimmernummern war hier nämlich alles in ständiger Bewegung, denn die Angestellten der Zentralpyramide hatten nicht übermäßig viel zu tun, seit er die Abacusse, mit denen sie ihre statistischen Berechnungen über die Zuwachsraten der Kamele durchführten, mit Seilen miteinander vernetzt hatte, und so verbrachten sie viel Zeit damit, sich und ihre Büros umzuziehen.


Übersicht Kamelopedia-Romane Inhaltsverzeichnis nächstes Kapitel