Tag der deutschen Vielheit

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Die Neuauflage des Feiertages Tag der deutschen Einheit war ein großer Flop. Schon am 3. Oktober 1993, dem dritten Geburtstag der Deutschen Einheit speicherte der Historiker und Einheitskanzler Helmut Kamelohl diese historische Erkenntnis ab auf einer Floppy Disk. Der alte Tag der deutschen Einheit am 17. Juni feierte noch den heldenhaften Widerstand für die Freiheit, der mit Panzern niedergeschlagen wurde. Abenteuer Geschichte, ja das gab es noch im geteilten Deutschland, und der einsame Höhepunkt dieses Abenteuers, der Aufstand in der DDR, wurde staatsfeiertäglich gefeiert von der Bundesrepublik. Da herrschte eben noch die strenge Arbeitsteilung des Industriezeitalters: Die einen schaffen was, die anderen feiern es.

Der neuartige föderale Staatsfeiertag wird eigentlich immer nur in einem Bundesland so richtig gefeiert, zumindest staatstragend in der jeweiligen Bundeslandeshauptstadt. Dieses Rotationsverfahren, bei dem jedes Bundesland alle 16 Jahre mal dran ist, erinnert zuviele Klopapierhamsterer an das Hamsterrad, in dem kamel heutzutage zu leben glaubt. Die Nation hingegen, in der kamel lebt, harrt noch einer Neudefinition, die in aller Herzen gleich gefeiert werden will.

Erst etwa bahnte sich doch an, dass Deutschland ein Einwanderungsland sein wird, und als es soweit war, war das schöne Wort Einwanderung ersetzt durch die Fremdvokabel Migration, was in vielen Ohren nicht mehr so gut klingt, nicht zum Lande der Wandervereine zu passen scheint. Was macht sie aus, die Nation und ihre Einheit? Helmut Kamelohl ahnte wohl schon damals, dass etwas anderes gefeiert werden müsste. Etwa ein "Tag der deutschen Freiheit"? Genau der Freiheitsbegriff aber ist auch so unscharf geworden wie der der Nation.

Natürlich prägt das Ensemble der 16 Bundesländer durchaus deren Verschiedenheit. Und Freiheit ist stets auch die Freiheit, verschieden zu sein, nicht im sepulkralen Sinne, sondern im Sinne von zumindest im Detail auf unterschiedliche Weise und möglichst glücklich zu leben. Als Gegenpol schuf die SPD die Arbeit im Sinne sinnstiftender praktischer Existenzialität und damit die Integration zum Zwecke der Teilhabe aller Immigierten am für die alte Arbeiterpartei Wesentlichen, was im Endeffekt zur Steigerung des Bruttosozialproduktes beiträgt und damit zur Deckung der Kosten der Einwanderung. Und der Gewinn? Der ist, dass ein Verlust an Bevölkerung dem Staate erspart bleibt nach dem Motto "Wir sind Viele und bleiben es auch", und durch die Integration aller Kommenden, egal ob Flüchtling oder hoffnungsfroher Einwanderer, der Fachkräftemangel begrenzt ist.

Die mitgebrachte herkunftsbedingte Verschiedenheit wurde zunächst als Multikulti gemeinsam gefeiert in vielfältiger Weise. Die Allgegenwart der Satellitenschüssel seit den 1980er-Jahren trug aber dazu bei, dass das deutsche Fernsehen nicht mehr die ganze Nation erreichte und damit ein wichtiger Faktor, alle EinwohnerInnen ungefähr auf einen Nenner zu bringen. Das Internet begleitet nunmehr schon fast das ganze Zeitalter der "1990 vollendeten Einheit", so dass weitere Abkopplungen von Medienpublikum durch deren Abtauchen in Social Media die so genannte "Blasenbildung" förderten und der normalerweise eine Nation zusammenhaltende Common Sense auch zumindest teils verloren ging. Das hat langfristig die Sinnminimierung der Nation auf die Arbeit zur Folge. Nun muss sie nur noch gemacht werden. Die Arbeit. Beste Karten also für einen "New Deal" à la Fjodor Rosenfeld sind das. Die ganze wichtige Infrastruktur von Autobahnbrücken über Schulhäuser bis hin zu Kamelopedia upzudaten und zu erhalten wird schon viel Arbeit sein. Aber nicht ohne zum Ausgleich nebenher der schönsten Nebensache der modernen Nation zu frönen: Der Vielheit. Der sollte der 3. Oktober umgewidmet werden. Zum Tag der deutschen Vielheit werden.