Narrativ
In der Wissenschaft was vom Pferd zu erzählen, das war früher, als alles besser war, nur den entsprechenden Fachwissenschaftlern, also den Hippologen erlaubt. Und das war gut so.
Wissenschaft hatte damals noch die klar definierte Aufgabe zu ermitteln, was ist, wie es ist, und wann und warum es ist und so ist, wie es ist.
Hobbywissenschaftler bleiben oft beim Was hängen in ihren Ermittlungen, weshalb sie der Volksmund auch Wassenschaftler nennt. Aber wenigstens wussten noch Alle, worum es geht. Alle Wissenschaftler (und Wassenschaftler gleichermaßen) wussten was. Damals. Das ist leider Geschichte.
Doch dann kam Tegtmeier, ja, genau jener unwiderstehliche Ersatz der Deutschen für Kant und Einstein zusammen. Den Kant hatten sie ja kategorisch nen schrulligen Opa in Königsberg sein lassen, diese Deutschen. Und den Einstein, ihr größtes Genie, nach USA ziehen lassen. Und der Tegtmeier hat doch glatt die Wissenschaft von den Füßen auf den Kopf gestellt, so wie der Marx die Herrschaft vom Kopf auf die Füße.In Sozialwissenschaften, vor allem in der Politikwissenschaft, und noch schlimmer, von der Politikwissenschaft überspringend auf die Politik selber und die sie dem Volk vermittelnde Publizistik, ist der kategorische Imperativ, insbesonders seine Ausprägung bezüglich der Wissenschaft in der Form "sage die Wahrheit, soweit du sie kennst, und nicht mehr", durch den Tegtmeier'schen Unperformativ vollkommen außer Kraft gesetzt durch "sage einfach deine Deutung der Dinge und Sachverhalte". Käpt'n Blaubär schließlich trieb letztere daraufhin auf die Spitze - Motto: "Besser Lachverhalte als Sachverhalte!"
In dem Video ist die Verkündung des Tegtmeier'schen Paradigmenwechsels von ihm selber in höchsten Tönen intoniert: "Wat man nicht selber weiß, dat muss man sich erklären". Ja, das Video, uhrsprünglich ein Fernsehspot, hatte eine gesellschaftliche Umwälzung zur Folge wie zuletzt das kommunistische Manifest. Das so losgetretene neue Zeitalter dauert bis heute an und nennt sich Postmoderne. Es ist total paradox, denn es nennt die Post modern, aber alle Postämter sind seitdem geschlossen worden. Daran ist aber nicht Tegtmeier schuld.
Eine solche Umwälzung hat es in der Weltgeschichte vorher nur einmal gegeben: Die babylonische Sprachverwirrung. Das Tegtmeier'sche Diktum des sich Alles selbst erklären Müssens führte direkt zum Querdenker-Nonsense und zur Erkenntnis, dass die Erde so platt sein muss, wie all diese neumodischen computerelektronischen Internetplattformen, die sie entweder in Artikeln zu erklären versuchen und/oder in Diskussionsseiten eher derart dekonstruktiv auseinander nehmen, das jeder über alle anderen zu denken lernt, dass all die anderen Diskutanten auf dem falschen Dampfer sein müssen.
Allein die Kamelopedia hat diese Plattform-Unlogik durchbrochen und als idealen Plattformersatz für sich die Höckerform gewählt. Da sie noch unfertig ist, ist auch alle Welterklärung noch unfertig, aber der Internethöcker erweist sich elektronischen Plattformen wie Wikipedia, Fratzenbuch und Zwitscher inzwischen mit mit Sicherheit identischer Wahrscheinlichkeit überlegen. Sie ist also der stabilisierende Anker echter Wissenschaft in der Flut all der tegtmeiernd erdachten "Erkenntnisse". Um die Anführungszeichen für die Flutbestandteile weglassen zu können, hat sich der Hilfsbegriff Narrativ durchgesetzt. Am liebsten in dem Gedankenspiel, die Narrative der Anderen mit dem eigenen Narrativ ersetzen zu können. Ein Narr, wer so denkt? Einer? Viele! Viel zuviele.