Theodizeeprozess

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Gott im Theodizeeprozess, vertreten durch Linksanwalt Gregor Gysi

Der Theodizeeprozess wird die letzte Verhandlung vor dem Jüngsten Gericht sein. Terminiert ist er auf den Mai nach der Apokalypse um halb drei, wenn die normalen armen Sünder bereits alle abgeurteilt und auf Himmel, Hölle und Fegefeuer verteilt sind. Angeklagter im Theodizeeprozess wird Gott selbst sein. Als Anklagepunkte sind nach derzeitigem Stand u.a. zu erwarten:

Die öffentliche Anklage wird vom Advocatus diaboli vertreten, die Nebenklage von diversen Opfergruppen (Betroffenen) und Gutmenschenverbänden. Als Zeugen sind sämtliche Kamele geladen, die seit dem Eozän jemals den Huf in die Wüste gesetzt haben - ja, vielleicht sogar die, die sich dort nur unter ihrer IP herumtreiben; ihre Einvernahme soll nach grober Schätzung zwischen 2 und 10½ Ewigkeiten dauern. Wer auf dem Richterstuhl Platz nehmen wird, konnte trotz intensivster Nachfroschungen bis dato nicht eruiert werden. Eine Schwierigkeit könnte im Auffinden von Richterkandidaten bestehen, die einen Befangenheitsantrag wegen Abhängigkeitsverhältnis vom Angeklagten überstehen würden.

Gott hat bereits angekündigt auf den ihm zustehenden Linksanwalt zu verzichten und sich selbst verteidigen zu wollen. Auf die Hauptverhandlung darf man gespannt sein: Teilweise wird erwartet, dass der Weltenschöpfer allerlei plausible Rechtsfertigungsgründe iSd §§ 32ff. StGB für seine Taten vorbringt. Vielfach wird aber auch spekuliert, dass er dem vieltausendfach anschwellenden Choral "Why, my Lord, oh tell me why ...?" ganz nonchalant ein lapidares "why not?" entgegensetzen wird. Im Notfall könnte eine Strategie gewählt werden, die auf der Lehre der Amnestheisten fußt: nach dieser ist Gott nicht tot, sondern hat lediglich sein root-Passwort vergessen. Demnach hätte der Angeklagte seine Allmacht dazu genutzt, sich ein so schwieriges Passwort auszudenken, dass er es sich trotz seiner Allwissenheit nicht zuverlässig habe merken können; dies sei allenfalls als Fahrlässigkeit zu werten. Nach Auffassung gewisser subversiver Theologen soll sich Gott im Übrigen jedenfalls auf den ihm vollständige Immunität gewährenden Grundsatz "In dubio pro deo" berufen können ...

Verfechter der Klage hoffen trotzdem, dass es zu einer positiven Urteil kommt, in dem die Aufhebung der Apokalypse und die Verschiebung des Jüngsten Gerichts um weitere Äonen im Strafmaß enthalten ist. Weiter fordern diverse Gruppierungen unter anderem:

  • die Generalrevision des Bibeltextes
  • eine fristlose Verfügung zur Unterlassung jeglicher Art von Naturkatastrophen und ansteckenden Krankheiten, sowie Durchfall
  • Auflösung des „Babylon-Protokolls“ zur sprachlichen Differenzierung verschiedener Kulturen

Weltweit grossen Zuspruch findet aber vor allem der letzte hier aufgeführte Punkt:

  • Erlassung der Erbsünde und Rückführung der gesamten Kamelheit in das Paradies.

Ein Statement von Gott zu diesen Forderungen ist bisher noch ausstehend. Für weitere Fragen war Gott nicht erreichbar.

Von einem Oppositionssprecher aus der Hölle verlautete, bereits die Ansetzung des Prozesses erfordere Konsequenzen in Form eines sofortigen Rücktritts. Vertreter des Atheismus betrachteten es auf Anfrage nicht als erforderlich, sich dieser Forderung anzuschließen. Beobachter weisen darauf hin, dass gemäß der offiziellen Zeitskala des Angeklagten (Tausend Jahre sind für ihn wie ein Tag) ein einigermaßen sofortiger Rücktritt durchaus noch möglich sei, da seit den schwerwiegendsten Vorkommnissen nicht einmal zwei Stunden vergangen sind. Eine sich daraus ergebenden Nachfolgedebatte wäre aus politologischer Sicht interessant, da bisher kein vergleichbarer Fall bekannt ist. Gerüchte, wonach sich Eric Schmidt zu Gesprächen auf dem Olymp aufhalten soll, wurden zunächst weder bestätigt noch dementiert.


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